Das Henne-Ei-Problem

Ich schreibe jetzt einen Beitrag, den ich eigentlich nicht für heute vorgesehen hatte. Das ist für jemanden wie mich, der Pläne gerne strikt verfolgt, fast schon ein GAU ;-). Aber ich möchte das jetzt wirklich loswerden.


Ich habe in den letzten Tagen mit Feministinnen gesprochen, die wirklich schon lange „im Geschäft“ sind. Und sie alle sagten mir übereinstimmend, dass sie nicht mit Maskulisten zusammenarbeiten wollten, weil diese fast in ihrer Gänze Feminismus ablehnen würden und wie sollten sie mit jemandem zusammenarbeiten, der sie und ihre Arbeit ablehnt? Sie bestätigten auch, dass es große Vorbehalte gegen Maskulismus gäbe, eben wegen dieses andauernden antifeministischen Engagements.


So. Und nun haben mir hier auf meinem Blog (und auch schon früher) zahlreiche Maskulisten beschrieben, wie furchtbar sie den Feminismus fänden, weil der (so wurde es nicht direkt gesagt, aber es war klar), so antimaskulistisch sei.


Bedeutet: Feministinnen haben etwas gegen maskulistische Projekte, weil sie glauben, diese wären antifeministisch. Maskulisten haben etwas gegen feministische Projekte, weil sie glauben, diese wären antimaskulistisch. Und so weiter.


So kann nichts vorwärts gehen.


Nun muss ich selbst zugeben, dass ich fortwährend eine implizite Frauenfeindlichkeit im Maskulismus entdecke, der Problemlagen von Frauen oft überhaupt nicht anerkennt, diese wegzudiskutieren versucht und sogar behauptet, diese hätten auch in der Vergangenheit nie existiert. Und so etwas macht mich sehr, sehr wütend, weil mich das als Frau und als Mensch nicht ernstnimmt. Es bedeutet letzten Endes: „Du hast ja keine Probleme, Du hinterngepudertes Prinzesschen. Weil Du eine Frau bist, wird dir so und so alles nachgetragen.“

Ich aber weiß ganz genau, dass das einfach nicht stimmt und dass es selbstverständlich frauenspezifische Problemlagen gibt. Ich könnte mir vorstellen, genau so sehen die Gefühle und Gedanken vieler Männer zum Feminismus aus.


Ich habe am Freitag in Wut geschrieben: „Macht euren Kram doch alleine“. Das war eine Reaktion auf Verschwörungstheorien und Beiträge, die mir unterstellt haben, ich müsse meinen Beitrag doch irgendwie mit schlechten Absichten geschrieben haben. Nun will ich aber eigentlich nicht, dass Männer „ihren Kram alleine“ machen müssen. Ich hatte zwei Großväter, ich habe einen Vater, ich habe einen Mann und ich habe Kinder, die ich alle sehr liebe und die ich unterstützen möchte. Ich sehe bei vielen von ihnen, wie sehr ihre Rolle sie einschränkt: Wenn sie z. B. fast bis zum Herzinfarkt arbeiten, weil sie meinen, nicht scheitern zu dürfen. Wenn sie ganz offensichtlich völlig fertig sind und immer noch sagen „alles kein Problem, ich schaff das“. Wenn sie tagelang nicht zum Arzt gehen, weil sie „nicht ausfallen“ wollen.Wenn sie wegen einem verdammten rosa T-Shirt niedergemacht werden. Wenn sie weinend zusammenbrechen und sich hinterher dafür in Grund und Boden schämen …


Ich will das alles nicht. Ich will, dass es Männern und Frauen so gut wie möglich geht. Die Betonung liegt dabei auf und.

Die Frage ist, wie erreicht man das? So wie bisher offenbar nicht. Wie aber dann?

 


P. S. Und noch etwas in eigener Sache. So wie letzte Woche geht es leider nicht. Ich habe einen Großteil meiner Zeit damit verbracht, Kommentare zu lesen, Kommentare zu moderieren, Kommentare zu beantworten. Und wenn mich meine Kinder fragen „Mama, warum sitzt Du dauernd am Compi?“, dann läuft ganz offenbar etwas falsch. Ich muss sehen, wie ich das in Zukunft löse. Kommentare einfach laufen lassen, geht meiner Erfahrung nach meistens gehörig schief, und führt dazu, dass sich ein paar Platzhirsche breitmachen, die alle ruhigen und gemäßigten Stimmen wütend vertreiben. Oder zu wüsten Kämpfen mit Beleidigungen. Ich möchte das daher nicht. Ich versuche, eine Lösung zu finden. Wenn das nicht geht, muss ich die Kommentarfunktion sperren. Ich möchte das zwar eigentlich auch nicht, aber meine Familie geht mir über alles. Und ganz sicher über „mein Hobby“. Das nur so als Randbemerkung.

 

 

Appell an Männerrechtler

Reden wir nicht lange drumrum: Ihr habt recht. Es geht Männern vielfach schlechter als Frauen.


Die männliche Rolle ist starrer, unmenschlicher, Vielfalt ist kaum möglich. Jungs werden schon aufgrund kleiner „Ausrutscher“ und Abweichungen von ihrer Rolle massiv ausgeschlossen, gemobbt, körperlich angegriffen. Das geht Mädchen auch so, aber, nach allem was ich erlebt habe, selten in dieser Vehemenz.


Für Mädchen- und Frauenprojekte gibt es staatliche Förderung, für Jungen- und Männerprojekte höchstens in Ansätzen. Die Selbstmordrate sowie die Zahl der männlichen Obdachlosen übertrifft die von Frauen deutlich.
Die Wehrpflicht für Männer wurde zwar ausgesetzt aber immer noch nicht abgeschafft, männliche Säuglinge und Kinder werden ganz legal beschnitten und psychische Probleme bei Männern? Ach Klimbim … das Weichei muss sich mal zusammenreißen und nicht so rumheulen.


Schon bei so einer simplen Frage wie der Kleiderordnung wird klar, wie starr und unflexibel und auch erbarmungslos die männliche Rolle immer noch ist. Es mag ja vielleicht ein kleines Problem sein, aber doch nicht unerheblich, wenn ein männlicher Arbeitnehmer massiven Ärger bis hin zur Abmahnung bekommen kann, wenn er in kurzer Hose und Kurzarm-Hemd im Büro erscheint, während das luftige Kleid für die Kollegin ganz selbstverständlich ist.


Es ist nur so: Was genau bringt es euch, wütend und oft offen neidisch auf „den Feminismus“ und Mädchen- bzw. Frauenförderung einzudreschen?
Ihr verausgabt euch, vergebt euer ganzes Potential, weil ihr euch in sinnlosen Schattenkämpfen abarbeitet.


Oder, um es ganz klar zu sagen: Mädchenprojekte werden deshalb gefördert, weil sich Frauen hingestellt haben und genau das gefordert haben, weil sie sich in Vereinen, in Gremien, in Ausschüssen politisch und außerpolitisch dafür eingesetzt haben. Dito wird Beschneidung von Mädchen genau darum mittlerweile in großen Teilen der Welt geächtet.


Die weibliche Rolle ist deshalb nicht mehr ganz so starr, weil sich nun bereits weit über ein Jahrhundert mutige Frauen (und Männer) dafür engagiert haben, dass sie geöffnet wird. Dass Frauen raus kamen aus der ihnen zugedachten Ecke, andere Kleidung tragen konnten, ihnen andere Möglichkeiten eröffnet wurden, sie Zugang zu Bildung und Berufsleben erhielten … das alles kam nicht von selbst, sondern es wurde laut gefordert und in jahrzehntelanger Kleinarbeit erkämpft.


Noch als ich in der Schule war, und das ist noch nicht allzu lange her, erlebte ich die unselige „Rabenmutterdiskussion“ in deren Verlauf massiv und höchst unfair versucht wurde, Müttern, die arbeiten, ein schlechtes Gewissen zu machen. Mittlerweile ist sie weitgehend passé. Es wurde gegen sie angeschrieben, angeschrien und auch gewütet.


Ihr aber schreibt, schreit und wütet fast nur gegen „den Feminismus“ und gegen Förderung von Frauen und Mädchen und nicht dafür, dass an eurer eigenen Situation endlich etwas geändert wird.
Mit dem Effekt, dass genau nichts für Männer passiert.


Warum stellt ihr euch nicht hin und fordert stattdessen lautstark Förderung für Jungsarbeit? Warum gründet ihr nicht Vereine, die, wie es ein bekannter Verein für Mädchen tut, nach dem Motto arbeiten „Junge / Mann sein kann man auf viele Weisen“? Warum gründet ihr nicht Männerhäuser, und fordert Geld dafür? Warum setzt ihr euch nicht für männliche Vergewaltigungsopfer ein? Warum unterstützt ihr nicht Hausmänner? Warum fordert ihr für euch nicht eine größere Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Warum gründet ihr nicht in großer Zahl Männerberatungsstellen, die Männern z. B. im Falle psychischer Probleme beistehen? Warum engagiert ihr euch nicht vehement gegen die Beschneidung von Jungen (ich lese dazu immer nur von feministischer Seite bis hin zu Terre des femmes)? Warum geht ihr nicht gegen das Stereotyp vom „starken Mann“ vor, das verdammt hohen Druck macht?


Es bringt nichts, daheim vorm PC zu sitzen und eure Wut und euren Hass in diversen Kommentarspalten auszubreiten.
So wie jetzt, wird sich nichts, gar nichts ändern.

Weil der Feminismus nicht euer Problem ist. Sondern starre, traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit.

Sind Maskulismus und Feminismus unvereinbare Gegensätze?

Wenn man sich den öffentlichen Diskurs so ansieht, möchte man das meinen, oder?


Dennoch beantworte ich diese Frage mit einem ganz klaren „Nein“. Wie gesagt sehe ich als die größte Herausforderung des modernen Feminismus das Hinarbeiten auf einen Abbau stereotyper Vorstellungen von Geschlecht. Der Feminismus wäre damit eine Spezialisierung, die sich dieser Aufgabe v. a. was stereotype Vorstellungen von Weiblichkeit betrifft, widmet. Entsprechend wäre der Maskulismus das logische Gegenstück des Feminismus, eine Bewegung, die sich dem Abbau stereotyper Vorstellungen von Männlichkeit widmet. Ziel eines solchen Maskulismus wäre dann ganz entsprechend, die vielen unterschiedlichen Varianten des „Mannseins“ zu betonen, ihnen Raum zu erkämpfen und eben gerade nicht einschränkende Vorstellungen von Männlichkeit zu wiederholen.


Insofern wären Feministen letzten Endes dann auch Maskulisten und umgekehrt. Feminismus und Maskulismus wären damit lediglich zwei Seiten derselben Medaille, die sich jeweils bedingen. Denn wie soll der Abbau stereotyper Vorstellungen von Männlichkeit gelingen, wenn nicht auch stereotype Vorstellungen von Weiblichkeit hinterfragt werden und vice versa?


Warum ich dennoch eine, nunja, äußerst kritische Einstellung zu weiten Teilen des Maskulismus habe? Weil ich nicht feststellen kann, dass es der Bewegung, die sich gemeinhin als Maskulismus bezeichnet, tatsächlich darum geht. Vielmehr sehe ich ein Festzementieren von stereotypen Rollen, einen „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“-Biologismus sowie eine extrem verengte, oft offen frauenverachtende Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit („Frauen geht es nur darum, versorgt zu werden“, „Frauen beuten Männer aus“, „weibliche Lehrer benachteiligen systematisch Jungs“, „Karrierefrauen sind schuld daran, dass es immer weniger Kinder in Deutschland gibt“).


Es gibt allerdings rühmliche Ausnahmen. Deren prominentester Vertreter ist Christoph Kucklick.
Wer keine Lust hat, seine Werke zu lesen, nun, dem empfehle ich immerhin diesen Essay, der weite Teile seiner Ansichten pointiert darstellt. Ich würde seine Grundeinstellung als „Gleichheitsmaskulismus“ bezeichnen und kann dem uneingeschränkt zustimmen. (Gut, bis auf einen Absatz, dazu aber später. )

Ein kleiner Einblick in den Text:
„Stattdessen sind die Forscher auf einen faszinierenden Effekt gestoßen: Sie können geschlechtliche Differenzen ziemlich einfach herstellen. Frauen schneiden in Tests als einfühlsamer ab? Nicht, wenn man den Männern sagt, sie seien ebenso empathisch – dann sind sie es auch. Männer haben ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen? Nicht, wenn man den Frauen erzählt, sie seien dazu ebenso begabt; dann erzielen sie ähnliche Testergebnisse. Das Verfahren nennt sich Priming, die Impfung mit oder gegen Geschlechterklischees.
Diesen Trick beherrscht auch die Gesellschaft. Und betreibt einen monströsen Aufwand, aus den so ungemein ähnlichen Geschlechtern doch ein paar Unterschiede herauszupressen. Nichts betonen wir so wie Geschlecht – nicht Rasse, nicht Religion, nicht Einkommen, nicht Herkunft.“


Sätze, die gleichheitsmaskulistisch und gleichheitsfeministisch zugleich sind und sich mit der Rolle BEIDER Geschlechter auseinandersetzen. Kucklicks Text beschäftigt sich mit der Rolle des Mannes, mit der Dämonisierung von als männlich empfundenen Verhaltensweisen. Aber er leugnet niemals, dass die Effekte, die zu solch schematischem Denken führen, unter anderen Vorzeichen auch für Frauen gelten.

Das wirkt, im Kleinen wie im Großen. Auf zwei Gebieten haben wir besonders auffällig und viel diskutierten Erfolg: bei Gehalt und Gewalt.

Gehalt, sprich: ökonomische Chancen, enthalten wir Frauen in höherem Maße vor als Männern – besonders eklatant in den Vorstandsetagen und auf Professorenstühlen, aber auch beim Durchschnittseinkommen. Diese Lücke schließt sich zwar, aber nur sehr langsam. In Sachen Gewalt sorgt unsere Gesellschaft mit Akribie dafür, dass vor allem Männer Gewaltopfer und -täter sind. “ (Christoph Kucklick a. a. O.)

Und DAS ist ein Maskulismus, der die oben genannte andere Seite eines modernen Gleichheitsfeminismus ist.


Zum Schluss noch zu dem Absatz, dem ich nicht uneingeschränkt zustimmen kann. Herr Kucklick schreibt: „Vergleichbarer Unsinn kursiert womöglich auch über Frauen. Aber zum Glück traut sich niemand mehr, ihn zu drucken. Über Frauen liest man eher rosige Stereotype, dass sie kommunikativer, einfühlsamer und überhaupt besser geeignet für die Zukunft seien – wenn die Männer sie nur ließen.“


Leider ist dies, in Zeiten „mutigen“ Anschreibens gegen sog. „Gutmenschentum“ nicht mehr der Fall. Und in Kommentaren großer Onlinezeitungen liest man das, was Herr Kucklick hier als Unsinn bezeichnet wieder und wieder: „Frauen sind aufgrund ihrer Hirnstrukturen zu logischem Denken nicht in der Lage“, „Frauen sind zu emotional, um Führungspositionen einzunehmen“, „Frauen wollen eben gar nicht Vollzeit arbeiten“, „Frauen entwickeln sich als Kinder schneller, weil sie keine so hochstehende Lebensform sind“, so tönt es unter Artikeln von Spiegel online, der Zeit, dem Focus und anderen großen Medien sowie in diversen Blogs und Foren. Ob es gedruckt wird, ist in Zeiten des Internets nicht mehr wirklich relevant.


Insofern: Der „Unsinn“ existiert auf beiden Seiten und wird auch veröffentlicht. Dagegen gemeinsam anzugehen sollte Ziel des Feminismus und des Maskulismus sein.