Männer, die am Boden liegen

Im Zusammenhang mit dem neuen Bond-Film ist es mir wieder aufgefallen: Wie sehr gerade Männer (aber durchaus auch einige Frauen) andere Männer verachten, die „kriechen“ oder „winseln“. Letzteres ein Wort, das abwertender nicht sein könnte. Konkret geht es um die Szene, in der der Bösewicht alias Christoph Waltz, nach einem Hubschrauberabsturz sich schwerverletzt am Boden entlangzieht und Bond, alias Daniel Craig, um Gnade anfleht.
Viele Männer aus meinem Bekanntenkreis haben sich extrem negativ über die Szene und den „erbärmlichen Mann“ geäußert.


Ganz ähnlich war es schon vor einigen Jahren, als wir mit einer Gruppe in „Troja“ waren. Paris, dargestellt von Orlando Bloom, wird im Kampf mit König Menelaos schwer verletzt und zieht sich daraufhin am Boden zu seinem Bruder Hector und fleht diesen um Hilfe an (die dieser ihm auch gibt). Die Männer in unserer Gruppe konnten sich teilweise gar nicht halten, nannten Paris „widerlich“, „ekelhaft“, einen „Hund“. Sie kritisierten die Reaktion seines Bruders Hector. Und gaben, von mir befragt, zu, dass ihre Reaktion anders gewesen wäre, wenn es sich bei Paris um eine Frau gehandelt hätte.


Und über Rudi Dutschke, als dieser schwer verletzt am Boden lag und in Todesangst nach seiner Mutter rief, wird erzählt, Passanten hätten über ihn gelacht und ihn verspottet.


Nun hat das eine lange Tradition: Bereits im Nibelungenlied gibt es den geckenhaften, „weibisch“ geschmückten Hunnen-Held, der selbstverständlich vernichtend und schmählich von den männlichen Burgunden geschlagen wird.


Nur, ganz ehrlich: Was soll das? Da ist ein Mensch, schwerverletzt, einem scheinbar oder wirklich übermächtigen Gegner ausgeliefert. Er hat Schmerzen, er hat Angst. Und er soll nicht um Hilfe bitten? Um Gnade flehen? Nach geliebten, vertrauten Personen rufen? Was alles ganz normal ist, in so einer lebensbedrohenden, qualvollen Situation? Und das alles, nur weil er ein Mann ist?


Wie brutal, wie mitleidslos, wie menschenverachtend ist diese Position? Und warum wird sie gerade von Männern vertreten? Liegt es vielleicht an einem Bild von Männlichkeit, das bereits in der Kindheit vermittelt wird? Hart sein, Stark sein, sich selbst verteidigen können, ja keine Hilfe benötigen?
Was meint ihr?


Bei mir selbst hatten diese Szenen übrigens tatsächlich keinen „widerlichen“ Beigeschmack. Da war einfach nur ein Mensch, der Angst hatte, schwerverletzt war und Hilfe brauchte.
Diese Position habe ich vor vielen Jahren einmal positiv vorgeführt bekommen: Ein alter Mann schilderte mir und meiner Großtante, wie deren Bruder (mein Großonkel) schwerverletzt im Feld lag und nach seiner Familie und seinen Kameraden schrie. Der Mann weinte dabei und schilderte uns seine Qual, ihm nicht habe helfen zu können.
Wenn wir von hier noch einmal zu Hector im Film Troja zurückkommen, der seinem Bruder hilft, aus Liebe, aus Mitleid, ohne Verachtung. Das halte ich für eine menschliche Reaktion. Wie auch die Schilderung des alten Mannes.

Schlimm, dass es offenbar nicht einmal üblich ist, Mitleid mit einem weinenden Schwerletzten zu haben, nur weil es sich dabei zufällig um einen Mann handelt. Das fände ich nämlich ganz normal.

 

P. S. Vergessen hatte ich in meiner ersten Version die ebenfalls sehr menschliche Reaktion Helenas. Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau, aber sie sagt zu Paris etwas wie „Ich will keinen großen Krieger. Menelaos war ein großer Krieg und jeden Tag, den ich mit ihm zusammen war, wünschte ich, tot zu sein.“ als sie seine Wunden verbindet.

Appell an Männerrechtler

Reden wir nicht lange drumrum: Ihr habt recht. Es geht Männern vielfach schlechter als Frauen.


Die männliche Rolle ist starrer, unmenschlicher, Vielfalt ist kaum möglich. Jungs werden schon aufgrund kleiner „Ausrutscher“ und Abweichungen von ihrer Rolle massiv ausgeschlossen, gemobbt, körperlich angegriffen. Das geht Mädchen auch so, aber, nach allem was ich erlebt habe, selten in dieser Vehemenz.


Für Mädchen- und Frauenprojekte gibt es staatliche Förderung, für Jungen- und Männerprojekte höchstens in Ansätzen. Die Selbstmordrate sowie die Zahl der männlichen Obdachlosen übertrifft die von Frauen deutlich.
Die Wehrpflicht für Männer wurde zwar ausgesetzt aber immer noch nicht abgeschafft, männliche Säuglinge und Kinder werden ganz legal beschnitten und psychische Probleme bei Männern? Ach Klimbim … das Weichei muss sich mal zusammenreißen und nicht so rumheulen.


Schon bei so einer simplen Frage wie der Kleiderordnung wird klar, wie starr und unflexibel und auch erbarmungslos die männliche Rolle immer noch ist. Es mag ja vielleicht ein kleines Problem sein, aber doch nicht unerheblich, wenn ein männlicher Arbeitnehmer massiven Ärger bis hin zur Abmahnung bekommen kann, wenn er in kurzer Hose und Kurzarm-Hemd im Büro erscheint, während das luftige Kleid für die Kollegin ganz selbstverständlich ist.


Es ist nur so: Was genau bringt es euch, wütend und oft offen neidisch auf „den Feminismus“ und Mädchen- bzw. Frauenförderung einzudreschen?
Ihr verausgabt euch, vergebt euer ganzes Potential, weil ihr euch in sinnlosen Schattenkämpfen abarbeitet.


Oder, um es ganz klar zu sagen: Mädchenprojekte werden deshalb gefördert, weil sich Frauen hingestellt haben und genau das gefordert haben, weil sie sich in Vereinen, in Gremien, in Ausschüssen politisch und außerpolitisch dafür eingesetzt haben. Dito wird Beschneidung von Mädchen genau darum mittlerweile in großen Teilen der Welt geächtet.


Die weibliche Rolle ist deshalb nicht mehr ganz so starr, weil sich nun bereits weit über ein Jahrhundert mutige Frauen (und Männer) dafür engagiert haben, dass sie geöffnet wird. Dass Frauen raus kamen aus der ihnen zugedachten Ecke, andere Kleidung tragen konnten, ihnen andere Möglichkeiten eröffnet wurden, sie Zugang zu Bildung und Berufsleben erhielten … das alles kam nicht von selbst, sondern es wurde laut gefordert und in jahrzehntelanger Kleinarbeit erkämpft.


Noch als ich in der Schule war, und das ist noch nicht allzu lange her, erlebte ich die unselige „Rabenmutterdiskussion“ in deren Verlauf massiv und höchst unfair versucht wurde, Müttern, die arbeiten, ein schlechtes Gewissen zu machen. Mittlerweile ist sie weitgehend passé. Es wurde gegen sie angeschrieben, angeschrien und auch gewütet.


Ihr aber schreibt, schreit und wütet fast nur gegen „den Feminismus“ und gegen Förderung von Frauen und Mädchen und nicht dafür, dass an eurer eigenen Situation endlich etwas geändert wird.
Mit dem Effekt, dass genau nichts für Männer passiert.


Warum stellt ihr euch nicht hin und fordert stattdessen lautstark Förderung für Jungsarbeit? Warum gründet ihr nicht Vereine, die, wie es ein bekannter Verein für Mädchen tut, nach dem Motto arbeiten „Junge / Mann sein kann man auf viele Weisen“? Warum gründet ihr nicht Männerhäuser, und fordert Geld dafür? Warum setzt ihr euch nicht für männliche Vergewaltigungsopfer ein? Warum unterstützt ihr nicht Hausmänner? Warum fordert ihr für euch nicht eine größere Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Warum gründet ihr nicht in großer Zahl Männerberatungsstellen, die Männern z. B. im Falle psychischer Probleme beistehen? Warum engagiert ihr euch nicht vehement gegen die Beschneidung von Jungen (ich lese dazu immer nur von feministischer Seite bis hin zu Terre des femmes)? Warum geht ihr nicht gegen das Stereotyp vom „starken Mann“ vor, das verdammt hohen Druck macht?


Es bringt nichts, daheim vorm PC zu sitzen und eure Wut und euren Hass in diversen Kommentarspalten auszubreiten.
So wie jetzt, wird sich nichts, gar nichts ändern.

Weil der Feminismus nicht euer Problem ist. Sondern starre, traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit.

„Bisexuelle Männer? Oh Gott, wie ekelhaft!“

Hier also der versprochene zweite Teil zum Thema Bisexualität (Pansexualität) und zwar diesmal zu bisexuellen Männern.


Ich gebe offen zu, ich kenne nur zwei Männer persönlich, die sich dazu bekennen – und das, aus gutem Grund, auch nur gegenüber halbwegs vertrauten Personen. Dafür aber höre ich jede Menge Vorurteile und v. a. fast durchwegs negative Werturteile. Fazit: Männer haben bei dem Thema „die Arschkarte“ gezogen (Und nein, das ist kein doofes Wortspiel ^^).


Während Frauen mit dem ebenfalls dümmlichen und nervigen Vorurteil „Geilo, bisexuelle Frau, macht es mit jedem“ konfrontiert werden, ist es bei Männern ein „Igitt, wie eklig“. Oder schlimmer noch „pervers und unnormal“. Fast durchgehend. Selbst heterosexuelle Frauen können meiner Erfahrung nach eher was mit der Vorstellung von Sex zwischen zwei Frauen anfangen, als sich vorzustellen, ihr Partner habe irgendwann auch mal was mit einem Mann gehabt. So komisch es klingt, aber das Vorurteil weiblichen Bisexuellen gegenüber bietet, bei allen negativen Begleiterscheinungen, fast so etwas wie eine Art „Schutz“ gegen allzu harsche gesellschaftliche Stigmatisierungen. Nicht so bei Männern.


Erinnert sich noch jemand an den zugebenermaßen grottenschlechten Film „Body of evidence“ mit Madonna? Da gibt es eine Gerichtszene, in der Madonna alias Rebecca unter Tränen erklärt, sie habe ihren älteren Liebhaber beim Sex erwischt. Und zwar, erschwerend, „mit einem Mann“. Es wird als völlig selbstverständlich vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine ganz besondere Demütigung handelt, wesentlich schlimmer noch, als sozusagen „normaler“ Betrug mit einer Frau. Warum eigentlich? Warum sollte Betrug mit einem Mann in irgendeiner Art und Weise schwerer wiegen als Betrug mit einer Frau? Ich fürchte, die Antwort ist die altbekannte „weil es eklig, pervers und unnormal ist“.


Oder die Folge in Ally McBeal, in der sich die Protagonistin in einen bisexuellen Richter verliebt und auf sein „Geständnis“ hin die Affäre (zumindest erstmal) beendet. Eine Szene, die ebenso gnadenlos wie ehrlich ist.


Nun wird vielleicht der ein oder andere einwenden „Schön und gut, das sind eben genau die Vorurteile, mit denen homosexuelle Männer tagtäglich zu kämpfen haben“. Und er (oder sie) hätte natürlich irgendwie Recht. Aber nicht ganz. Denn homosexuelle Männer haben immerhin noch etwas Rückhalt in ihrer Szene und sie müssen sich nicht damit auseinandersetzen, ihre Beziehung(en) zu Männern irgendwann auch einer Partnerin erklären zu müssen und auch andersrum. Bisexuelle Männer aber stehen weitgehend ungeschützt und als völlige Einzelkämpfer irgendwo zwischen den Stühlen.


Zum Schluss hätte ich noch eine Frage an schwule Männer: Bei lesbischen Frauen fällt mir schon lange auf, dass (teilweise zu Recht, siehe mein letzter Beitrag) bisexuelle Frauen einen negativen Ruf haben, teils in Kontaktanzeigen sogar dezidiert ausgeschlossen werden. Wie ist das in der schwulen Szene? Vielleicht mag der ein oder andere hier in den Kommentaren was dazu posten. Ich habe nämlich den Eindruck, im „face to face“-Gespräch sind die Antworten dazu etwas „politisch korrekt“ und ausweichend.